Kennst du das Haus?

So fragte das Geheimrat von Goethe, in Mignon (Kennst du das Land, wo die Zitronen blühen?)

Was ist ein Haus, ganz grundsätzlich, und wozu dient es? Ein Dach über vier Wände, das uns Schutz gibt? Wenn das so ist, Schutz gegen was? Gegen Regen und Wind, gegen wilde Tiere und unfreundlich gestimmte Mitmenschen? Ja, sicher. Und in unseren lichtüberfluteten Algarve Schutz auch gegen zu viel Licht und Sonne.

Wo die Sonnenstunden so zahlreich sind, und die Regentropfen äußerst sparsam, dienen sowohl Dach als Regenschirm hauptsächlich als Schutz gegen brennenden Strahlen. Auch wenn man das Licht liebt und gern damit spielt und modelliert, muß der Sonne Grenzen gesetzt werden. Da sind sich die alte Baumeister und die moderne Architekten überein. Auch wenn die Lösungen so verschieden wie Schneekristallen aussehen. Genau betrachtet sind ja die Kristallen nie gleich, und doch alle samt glänzend weiß und schön. Wie die Häuser in der Algarve.

Mag sein daß man hier an diesem gesegneten Küstenstreifen nur wenig vom Schnee weiß. Wenn es aber um schönes Wohnen geht, da kann man mitreden.

Auch wenn die traditionellen algarvischen Bauernhäuser in ihren Proportionen sehr harmonisch sind, und meistens sehr gut in der Landschaft integriert sind, ist es im Normalfall notwendig, sie an einen modernen Lebensstil anzupassen. Man wünscht sich heute eine funktionelle Küche, und ein Badezimmer.

Wasser- und Abwasserleitungen müssen eingezogen werden, Elektrizität auch, oder mindestens verbessert sein. Die einstige Küche, mit ihrem großen offenen Herd, wird vielleicht jetzt zu Stube oder Wohnzimmer. Es fängt eine große Rokade an; ein Schlafzimmer wird das neue Badezimmer, Wirtschaftsgebäuden oder Stallungen werden für Schlafzimmer umgebaut.

Dabei lohnt es sich immer, so viel wie möglich von der alten Bausubstanz zu bewahren. Meterdicke Steinwände sind einfach den neuen, dünnen aus Ziegel ganz überlegen, im Sommer und Winter. Alte Böden sind schön, und die Qualität der Platten ist sehr viel besser als was heute angeboten wird. Die Decken aus Bambu und Eukalyptusbalken sind sowohl schön als gutfunktionierend. In so einem Haus läßt sich auch in der Sommerhitze schlafen – was in Neubauten von Beton und Ziegel nicht immer der Fall ist.

Nicht alle Häuser auf dem Lande in der Algarve sind bescheiden und schlicht. Und jetzt werden nicht die größenwahnsinnigen Krokanbäuten gemeint, die heute auf jeden zweiten Gipfel gesetzt werden, komplett mit falschen Bogen in angeblichen Mittelmeer-Stil und Türme in bester Raubrittertradition. Gemeint wird das algarvische Herrenhaus, die Quinta.

Eine Quinta hatte schon immer großzügischen Räumlichkeiten. Heute, wenn die Esel und Maultiere ausgezogen sind und in vielen Fällen keine Landwirtschaft mehr betrieben wird, sind weitere Hunderte von Quadratmetern Wohnfläche dazugekommen. Auf so einer Quinta kann – wenn guter Geschmack und die notwendigen finanziellen Möglichkeiten vorhanden sind – ein Paradies auf Erden geschaffen werden.

Auf Quinta de Pombal sind zwar die Esel fort, aber einige Hunde – alte Treudiener – führen dort ein exemplarisches Hundeleben. Und im Columbarium, wo die Tauben, die die Quinta seinen Namen gegeben haben, einst zu Hause waren, plaudern jetzt Papageien, in so viele Sprachen, man würde glauben im Babelsturm zu sein.

So ist es also – im Paradies werden viele Sprachen gesprochen. “It takes all kinds to make a world.”

Und es wurde licht. Sehr viel davon. Die Algarve schwimmt im Licht. Einige von uns, die von finsteren Trachten kommen, können gar nicht zu viel davon bekommen. Das Leben hier kann zu einer Art Lichttherapie werden. Wer vom Licht umgeschwommen ist tritt leichter auf die Erde.

Es geben Architekte, die spielen mit dem Licht wie auf einem wohltemperierten Klavier. Auf einem von den zahllosen Maulwurfhaufen – so wurden diese modesten Bergen in Serra de Calderão schon im 18. Jahrhundert von einem deutschen Reisenden beschrieben – im Hinterland von Tavira steht ein ungewöhnliches Haus.

Es macht keine Reverenzen an die Tradition, und gar keine an das Postmodernistische. Hier handelt es sich um Modernismus pur, um Idéen in Glas, Stahl und Eisenbeton umgesetzt. Das Haus ist sehr prezise auf das Grundstück gesetzt – nicht so hoch, daß es dominiert, aber trotzdem hoch genug um Rundsicht zu haben. Südlich, zum Meer, und in allen anderen Richtungen auf Bergketten die rund um die Uhr ihre Farbschattierungen ändern.

 

So steil ist das Gelände, daß in einem und demselben Raume drei bis vier verschiedene Ebenen vorzufinden sind.

Der Architekt und Hausbesitzer kam hierher aus Frankreich und verliebte sich – in eine Portugiesin, und in die Algarve.

Kein Wunder.

 

Harald Nordli

 

 

8 thoughts on “Kennst du das Haus?”

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